Slow-Travel-Abenteuer mit dem Gravelbike
Vom Pongau nach Kirgisistan

Viele haben es ewig vor und ziehen es nie durch. Manche beginnen zumindest mit der Planung. Und ganz wenige tun’s einfach: Das ganz große Bike-Abenteuer, das man schon immer mal machen wollte. Markus Pointner, Mitarbeiter des SPORT 2000 Händlers PointnerBIKE, gehört zur seltenen Gattung und lässt für fünf Monate alles hinter sich, um sich einer besonderen Reise zu widmen: Gemeinsam mit einem Kollegen will er von Schwarzach im Pongau ab März 2023 bis nach Kirgisistan gelangen – und zwar unsupportet mit dem Gravelbike! Weil so ein Abenteuer Seltenheitswert hat, ist es schwierig, auf Erfahrungen von anderen zu bauen. Wie man sich darauf vorbereitet? Markus liefert einen Blick hinter seine Kulissen und Motivationen.

Wann hattest du zum ersten Mal diese Idee bzw. wie kamst du darauf, so eine lange Reise ins Auge zu fassen?

Ich hatte schon länger geplant, dass ich nach meinem Studium eine größere Reise machen möchte. Dabei gab es für mich nur zwei Optionen: zu Fuß oder mit dem Rad. Ich habe mich für das Rad entschieden, da man dabei doch mehr Strecke zurücklegen kann. Trotzdem ist man mit dem Rad in dem Slow-Travel-Modus und erlebt dabei die Länder, deren Kultur und Bevölkerung auf eine besondere Art und Weise. Im späten Frühling 2022 habe ich begonnen, mich ernsthaft mit diesem Projekt zu beschäftigen. 

Hast du schon mal etwas Ähnliches gemacht oder dich in irgendeiner Art vorbereitet, damit du weißt, was dich erwartet?

Ich habe in den letzten Jahren zwei Solo-Bikepacking-Trips nach Kroatien gemacht, jeweils acht und vier Tage. Außerdem war ich bei der Bike Transalp dabei und habe auch dort wieder das Verlangen bekommen, das Bike für längere Zeit zu satteln. Bei diesen Abenteuern habe ich viel über Planung, Schlafplatzsuche, Ernährung etc. gelernt.

Warum nach Kirgisistan?

Eigentlich ganz einfach: Ursprünglich wollten wir bis nach China, aber seit der Covid-Pandemie ist das fast unmöglich geworden. Kirgisistan ist das letzte Land vor China. Natürlich ist Kirgisistan aber auch ein extrem schönes Land und ein absoluter Geheimtipp in der Bikepacking-Szene. Die Option mit China lassen wir uns aber noch offen und werden dann im Laufe der Reise entscheiden, ob es noch weitergeht oder nicht.

Wer ist dein Kollege, der mit auf die Reise kommt?

Xaver ist ein sehr guter Freund, den ich in der späten Kindheit beim Triathlon-Training kennengelernt habe. Danach haben wir uns lange nicht gesehen und sind dann zufällig in die gleiche Kaserne im Bundesheer eingerückt. Seit diesem Zeitpunkt sind wir viel zusammen in den Bergen unterwegs, beim Klettern, Eisklettern, Skifahren und auf größeren Bergtouren. Wir teilen viele Ansichten und Interessen, dies macht es auch möglich, für so lange Zeit zusammen zu reisen. Zu Beginn wollte ich diese Radreise allein antreten, als ich ihm davon erzählt habe, war er sofort davon begeistert und hat wenig später seinen Job gekündigt, um mich begleiten zu können.

Was erhofft ihr euch von diesem Trip?

Wir erhoffen uns die Länder auf eine besondere Weise kennenlernen zu dürfen. Ich freue mich auf unzählige Begegnungen mit inspirierenden und interessanten Persönlichkeiten. Und natürlich sind wir einfach richtig heiß auf so ein großes Abenteuer, wo uns sehr viele Herausforderungen erwarten werden.

Wie aufwändig ist so eine Unternehmung aus organisatorischer Sicht, z. B. was Visum beantragen etc. betrifft – vor allem in Zeiten wie diesen?

Als Erstes mussten wir herausfinden, welche Bestimmungen in welchen Ländern gelten und ob ein Visum notwendig ist. Dazu ist die Website des Außenministeriums sehr hilfreich. Nach einer ersten Recherche stellte sich heraus, dass in den meisten Ländern kein Visum nötig ist. Man darf sich dort bis zu 30 Tage am Stück visumfrei aufhalten. Die einzigen Länder, in denen wir ein Visum benötigen, sind Aserbaidschan und der Iran. In einigen Ländern ist seit der Pandemie die Einreise über Landesgrenzen erschwert möglich, was zusätzliche Herausforderungen in der Routenplanung mit sich bringt.

Habt ihr einen digitalen globalen Helfer wie ein Navi mit allen Karten oder ein Satellitentelefon?

Nein, wir werden alles nur mit unserem Smartphone und verschiedenen Apps machen. Für die Navigation verwenden wir MapOut mit superdetaillierten Offlinekarten, Komoot und Google Maps – hauptsächlich für Unterkünfte, Supermärkte und andere Services in Städten. Für die Sprachen werden wir Offline-Übersetzer verwenden.

Wie detailliert plant ihr den Routenverlauf im Voraus? Weißt du zum Beispiel schon jetzt, welchen Abzweigungen du etwa in Usbekistan folgen wirst?

Wir haben eine ungefähre Route im Kopf, aber es ist durch den langen Zeitraum nicht möglich, genauer zu planen. Das wollen wir auch nicht, denn spontan entscheiden zu können, ist das Beste bei so einer Reise. Es gibt derzeit auch noch zwei Optionen, wie wir nach Kirgisistan kommen können, welche von den politischen Lagen in den jeweiligen Ländern abhängen.

Hast du ungefähre Anhaltspunkte der Route im Kopf?

Das erste große Ziel ist Istanbul, das wir ohne größere Probleme erreichen sollten. Danach durchqueren wir die Türkei und da ergeben sich zwei Optionen:

 

  1. Nördlich über Georgien nach Baku (Aserbaidschan). Dann von Baku mit einer Fähre / einem Frachtschiff nach Aqtau (Kasachstan). Von dort nach Usbekistan, Tadschikistan und dann nach Kirgisistan. Diese Route ist aber derzeit nicht möglich, da Aserbaidschan die Landesgrenzen geschlossen hält.
  2. Nach Süden in den Iran. Danach wäre die „normale” Route, den Iran von West nach Ost zu durchqueren und dann durch Turkmenistan in den Norden nach Usbekistan zu gelangen. Das größte Problem dabei ist Turkmenistan. Es ist fast unmöglich, ein normales Visum zu bekommen, weshalb wir auf ein 5-Tage-Transitvisum ausweichen müssten. Das heißt, wir müssen das Land in fünf Tagen durchqueren (100 Kilometer pro Tag in der Wüste). Das ist grundsätzlich möglich, wenn auch anspruchsvoll. Seit der Covid-Pandemie ist das Transit-Visum allerdings ausgesetzt, wodurch wir auf den Flieger von Teheran nach Aqtau ausweichen müssten, um dann dem weiteren Routenverlauf von Option 1 folgen zu können.

 

Die genauen Strecken der darauffolgenden Tage wollen wir ungefähr drei bis vier Tage im Vorhinein planen.

Was wird – Stand jetzt – die größte Herausforderung für Körper, Geist und Rad?

Auf den Körper kommen zu Beginn viele Belastungen zu, an die man sich gewöhnen muss, das betrifft vor allem Muskeln, Bänder, Reibstellen etc. Auch der Kopf wird sich hin und wieder die Frage stellen, wieso wir so etwas Irrsinniges überhaupt machen. Was das Material betrifft, haben wir an keiner Stelle gespart und nur hochwertige Marken und Komponenten verwendet.

Wie viele Rad-Kilometer planst du pro Tag ein?

Geplant sind 100 Kilometer pro Tag oder mehr – so viele wie möglich sind! Dafür werden wir auch öfter einen Ruhetag einlegen, wenn es uns wo gut gefällt.

Habt ihr das Know-how und die Tools, um das Rad in sämtlichen Szenarien wieder auf Vordermann zu bringen?

Ich habe neben meinem Studium und auch schon davor sehr viel in unserem SPORT 2000 Radshop in der Werkstätte und dann später auch im Verkauf gearbeitet, daher ein ganz klares „Ja” auf diese Frage. Es wird essentiell sein, dass man auf so einer Radreise, wo man oft tagelang keinen Kontakt zu Menschen hat, die wichtigsten Reparaturen selbst durchführen kann.

Warum habt ihr für die Reise ein Gravelbike gewählt? Und welches genau ist das?

Ein Mountainbike ist zu langsam und ein Rennrad ist vor allem in den asiatischen Ländern, wo die Straßen zu vielen Teilen aus Schotterpisten bestehen, ungeeignet. Daher fiel die Wahl auf ein Gravelbike, da man damit die Schnelligkeit eines Rennrades und die Geländegängigkeit eines MTB kombiniert. Auch ist die Geometrie eines Gravelbikes meistens etwas gemütlicher als die eines Rennrades, was ein Aspekt ist, wenn man jeden Tag im Sattel sitzt.

Als Alternative gäbe es noch Reisefahrräder, wir folgen da aber eher dem Motto „fast & light”. Würde ich jetzt nur einen mehrtägigen Bikepacking-Trip in Kirgisistan planen, dann würde die Wahl definitiv auf ein MTB fallen.

Als Type verwende ich ein Einsteiger-Gravelbike von Cube (Crossrace) mit einem Alurahmen, einer einfachen 2-x-11-Schaltung und mechanischen Scheibenbremsen. Der einfache Aufbau ist Kalkül: In der Wüste oder bei einem Schneesturm eine hydraulische Bremse zu entlüften, ist fast unmöglich, aber den Seilzug einer mechanischen Bremse tausche ich bei jeder Bedingung. Wir haben uns beide auf unseren Fahrrädern aus Komfort- und Aerodynamik-Gründen einen Aerolenker montiert, der eine zusätzliche Sitzposition ermöglicht. Ansonsten haben wir beide noch ganz viele Taschen, die am Rahmen, Lenker und Gepäckträger montiert werden.

Wie plant ihr die Verpflegung sowie Schlafgelegenheiten ein?

Wir wollen die meiste Zeit im Zelt schlafen und nur ab und an in den größeren Städten in einem Hostel übernachten, da es dort schwierig wird, einen Zeltplatz zu finden. Die Möglichkeit über Couchsurfing oder Warmshowers werden wir auch öfter nutzen. Diese beiden Apps bzw. Websites vermitteln Gratis-Übernachtungsmöglichkeiten bei Einheimischen, die meistens selber viel reisen.

Quick Facts
  • Geplante Route: Pongau, Kroatien, Albanien, Türkei (Istanbul), Iran (Teheran), Kasachstan, Usbekistan, Kirgisistan (Bischkek)
  • Geschätzte Kilometer: ca.10.000
  • Dauer: 5 Monate
  • Fahrradtyp: Gravelbike
  • Ausrüstung: Zelt & Packtaschen
  • Geplanter Start: 9. März 2023

Steckbrief Markus:

Sein ganzes Leben schon geht Markus den verschiedensten Sportarten nach. Meistens sucht er dabei nach dem Extremen. Der Weg führt ihn oft in die heimischen Berge, aber hin und wieder auch zu Abenteuern ins Ausland. In den letzten Jahren lag sein Fokus auf dem Fahrradfahren; während seines Studiums konnte er viele Erfahrungen im SPORT 2000 Bike Shop in der Werkstatt sowie im Verkauf sammeln. Mit dieser Radreise nach Asien steht ihm die bisher größte Challenge seines Lebens bevor.

Steckbrief Xaver:

Aufgrund einer sportlichen Familie ist Xaver früh zum Ausdauersport gekommen. Seine Jugend drehte sich nur darum, die Balance zwischen Langlaufen, Triathlon und Klettern zu finden. Die Freude am Draußensein und sich selbst körperlich herauszufordern, wuchs stetig und gipfelte schon mit 18 Jahren in seinem bisher größten Projekt: einer Mountainbike-Tour nach Paris. Seither hat er einige Wochen auf dem Fahrradsattel verbracht – und lernte diese spezielle Art des Reisens zu lieben. Was ihn auszeichnet: Die Dinge einfach zu machen, ohne sich davor den Kopf zu zerbrechen, woran es scheitern könnte.

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